Erweitertes Kampfsystem
Die bisher beschriebenen Prinzipien beschreiben das Grundgerüst eines Kampfes, mit dem sich bei etwas Flexibilität in der Anwendung die meisten Situationen zufriedenstellend simulieren lassen. Über die bisher beschriebenen Bedingungen hinaus gibt es noch einige andere Faktoren, die einen Kampf beeinflussen können; auch gibt es Abläufe, bei deren Darstellung man noch weiter in die Tiefe gehen kann, um so die Genauigkeit zu erhöhen.
Komplexe Aktionen
Im vorigen Kapitel wurde beschrieben, was man sich unter einer Aktion vorzustellen hat. Nun könnte man aber meinen, daß ein wirklich geübter Kämpfer in der Lage sein sollte, aus einer Bewegung heraus mehrere Aktionen zu vollführen. Solche Aktionen nennen wir komplexe Aktionen, im Gegensatz zu den bisher beschriebenen einfachen Aktionen. Grundsätzlich kann man solche Aktionen so darstellen, daß man für beide Aktionen einen Malus auf die Erfolgszahl gibt. Im folgenden stellen wir einige Beispiele für mehrere Aktionen, die in einer Zeitstufe durchgeführt werden könnten, und ihre regeltechnische Umsetzung dar.
Komplex: Kämpfer A tritt nach Gegner B und weicht dabei mit dem Oberkörper Kämpfer C's Schwertstreich aus.
Zwei Aktionen in einer Zeitstufe: beide Aktionen erhalten einen Malus von +1 auf die zu erwürfelnde Erfolgszahl. In diesem Fall werden beide Aktionen gleichzeitig ausgeführt, und selbst wenn C Kämpfer A trifft, hätte dieser noch die Möglichkeit, B mit dem Fuß zu treffen
Zweimal einfach: Kämpfer A duckt sich unter dem Schwertstreich von Kämpfer B weg und tritt nach dessen Fuß.
Zwei Aktionen in zwei Zeitstufen: beide Aktionen ohne Malus. Hier kommen die beiden Aktionen nacheinander. Zum Beispiel duckt sich A in Zeitstufe 6 vor B und tritt dann in Zeitstufe 3 zu. In diesem Fall muß er damit rechnen, daß B schon in 6, 5 oder 4 wegspringt oder gar noch einmal zuschlägt. Um eine solche Aktion sinnvoll durchzuziehen, ist es nötig, schnell zu sein und beide Bewegungen hintereinander zu vollenden. Sinnvoll wäre es von A's Seite auch, seine zweite Aktion von drei nach fünf hochzuziehen, um B's Aktionsradius einzuschnüren.
Komplex: Ein Kämpfer ist mit zwei Säbeln bewaffnet und schlägt damit scherenartig zu.
Zwei Aktionen in einer Zeitstufe: beide Aktionen +1.
Komplex: Kämpfer A springt aus der Reichweite von Kämpfer B und schlitzt währenddessen mit seinen Fußklingen C's Kehle auf, der genau neben ihm stand.
Zwei Aktionen in einer Zeitstufe: beide Aktionen +1. Stünde C am Endpunkt von A's Bewegung, könnte die Aktion mit dem Schnitt auch erst mit A's nächster Aktion passieren.
Zweimal einfach: Ein Kämpfer rollt sich ab und feuert eine Schußwaffe ab.
Zwei Aktionen in zwei Zeitstufen: beide Aktionen ohne Malus.
Taikiin Keer ist Schwertmeister. Nach einem geruhsamen Schlaf steht er früh am Morgen auf und beginnt mit der Waschung, die für einen Mann seines Glaubens wie ein Ritual abläuft. Im Waschsaal trifft er auf drei Gestalten aus der Nachbarschule. Ohne zu überlegen erkennt er deren feindliche Absichten, die sich aus den unterschiedlichen politischen Haltungen und Äußerungen der beiden Schulen ergeben.
Während der erste der drei mit einem Schlagstock bewaffnet auf ihn zuspringt, streckt er sich und greift nach seinem Schwert, das in seiner Schärpe steckt. Genau in dem Moment, in dem der Angreifer ihn mit weit ausgeholter Waffe erreicht, erkennt Taikiin, daß einer seiner Kumpane eine Feuerwaffe zieht und der andere sich seitlich neben ihn bewegt hat, um mit seinem Säbel zuzuschlagen.
Taikiin zieht sein Schwert und donnert dem ersten Angreifer im Ziehen den Knauf seiner Waffe ins Brustbein (EINFACH). Er vollendet die Bewegung bogenförmig, um dem mit dem Säbel den Schädel vom Rumpf zu trennen (EINFACH). Sofort rollt sich der Schwertmeister ab und entgeht so der Feuerwaffe seines dritten Gegners. Noch im Rollen zieht er zwei Wurfpfeile (KOMPLEX) und wirft sie dem Dritten entgegen (EINFACH). Innerhalb von drei Sekunden erledigt Taikiin seine drei Gegner und hat im Aufstehen noch genügend Zeit, um zuzusehen wie der erste mit gebrochenem Brustbein und der zweite enthauptet zusammenbrechen. Der dritte lehnt an dem Rundbogen, an den er von der Wucht der Pfeile, die sich in sein Auge bohrten, gedrückt wurde.
In der hier beschriebenen Kampfrunde vollendet der Schwertmeister 5 Aktionen. Mit seiner ersten Aktion in Zeitstufe 7 schaltet er mit seinem Schwertknauf den ersten Gegner aus. Die zweite Aktion ist in 5 vollendet und ergibt die Kopflosigkeit seines zweiten Gegners. Taikiins dritte Aktion ist das Abrollen und die vierte das Ziehen der Pfeile.
Beide Aktionen bilden zusammen eine komplexe Aktion, erfolgen in 3 und fordern einen Malus von +1 sowohl auf das Abrollen als auch auf das Ziehen (für letzteres fordert der Spielleiter aufgrund der Tatsache, daß es mit einer komplexen Aktion verbunden ist, einen einfachen Fingergeschickwurf). Seine letzte Aktion ist das Werfen der Pfeile in 1.
Schadensarten
Das Grundkampfsystem deckt zwar den Schaden, den Waffen anrichten können, im Prinzip ab. Einige Faktoren, die den Schaden beeinflussen können, werden hier nicht berücksichtigt. So können ein Drehkick oder gar ein Sprungtritt einen wesentlich größeren Schaden anrichten als ein normales Zutreten. Auch ein Beil kann, vom Kämpfer in weitem Bogen einmal um sich selbst geschwungen, noch einmal ganz erheblich an Wucht zulegen. Andere Schadensarten wie Säure, Feuer oder Gas können nicht oder nur sehr unzufriedenstellend dargestellt werden. Deshalb hier einige Hinweise für das Simulieren besonderer Angriffsarten.
Angriffswucht
Im obengenannten Fall eines Drehkicks dient der durch die Drehung erzeugte Schwung dazu, eine größere Aufschlagskraft zu entwickeln. Um dies darzustellen, könnte der Kämpfende eine Aktion zum Herumwirbeln ausgeben (wie beim Zielen) und erst in der nächsten (in diesem Fall hochgezogenen) wirklich zutreten. Der Spielleiter könnte hierfür einen Zuschlag der halben Körperkraft des Kämpfers auf den Schaden erlauben.
Ein anderes Beispiel wäre ein Anrempeln mit Anlauf. Man kann sich leicht vorstellen, was passiert, wenn ein Footballspieler aus vollem Lauf auf einen anderen prallt. Hier könnte man für das Anlaufen dem Spieler gestatten, das gesamte Gewicht zur Körperkraft zu zählen und hiermit die Schadenserfolge zu ermitteln.
Gas
Solche Angriffe sind schwer zu beschreiben. Wir benutzen meist den Konstitutionswert, um zu bestimmen, wie schlimm ein Gas sich auf eine Person auswirkt. Aber allein die Anzahl der verschiedenen Substanzen und ihre Auswirkungen in der Realität machen es schwierig, hier eine Patentlösung zu finden. Generell sollte der Spielleiter zum verwendeten Gas eine eigene Regelung entwickeln, die sich an den Auswirkungen des jeweiligen Gases orientiert. Dabei kann er für das Gas entweder eine besitmmte Anzahl von benötigten Konstitutionserfolgen festlegen oder es aber auch einfach in eine der Sparten in der Schocktabelle einordnen, gegen die der Spieler dann seine Konstitutionserfolge setzen kann.
Atunas Atem (von den Soldaten der venusianischen Armee eingesetzes Betäubungsgas): Gerät eine Person in den Wirkungsbereich dieses Gases, das im Normalfall mit Granaten aufs Schlachtfeld abgefeuert wird und sich dann dort lange Zeit hält, bleiben ihr für jeden Erfolg, die sie in einem Wurf auf Konstitution erreicht, zehn Sekunden, die sie sich ans Bewußtsein klammern kann, ehe sie selbiges verliert. Dabei muß sie jedoch einen Malus auf alle Werte in Höhe von sechs minus Konstitutionserfolge hinnehmen.
Danach entscheidet ein Regenerationswurf, ob die Lunge einen dauerhaften Schaden hingenommen hat. Hierbei gilt, daß bei weniger als drei Erfolgen das Opfer eine chronische Lungenschwäche zurückbehält und ein Zehntel ihrer Lungenkapazität einbüßt.
Feuer & Säure
Ähnlich wie bei Gas ist es auch bei Säuren und Feuerschaden schwer zu bestimmen, was wirklich geschieht. Man kann den speziellen Fall immer in eine Intensität einstufen, ähnlich den Erfolgswürfen beim Benutzen einer Fähigkeit.
Zum Beispiel könnte man Feuer auf einer Skala von eins bis zehn darstellen. Hat der Ausbruch einer Feuersäule eine Intensität von fünf auf dieser Skala, würde ihn dies als mittleres Feuer klassifizieren. Eine Intensität von eins würde vielleicht bedeuten, daß nur heiße Luft entweicht, und zehn beschriebe eine Explosion, die einen Menschen einfach in Stücke reißen und seine Überreste zu Staub verbrannt hinterlassen würde.
Nun könnte man mit dieser Intensität wie beim Ermitteln eines Schadens würfeln, wie schlimm eine Verletzung wirklich ausfällt. Die Erfolge kann man auch mit den Widerstandswerten vergleichen, nur sollte man sich klar machen und beachten, daß die spezielle Wirkung von Feuer in den Werten nicht berücksichtigt wurde. Eine Holzrüstung mag recht gut schützen, brennt aber wohl eher als Leder.
Der vom Feuer Betroffene kann dann, falls das Feuer nicht zu seinem sofortigen Tod führt, einen Konstitutionswurf auf der Schocktabelle machen, um Schockauswirkungen festzustellen. Die Auswirkung der Verbrennung muß dann allerdings wie die anderer Verletzungen auch gesondert beschrieben und festgehalten werden.
Charly ist Feuerwehrmann im dritten Bezirk. Vor einer Stunde ist eine Fabrik in Flammen aufgegangen, und sein Zug befindet sich seit fast fünfzig Minuten an Ort und Stelle, um zu retten, was zu retten ist. Charly ist im Gebäude, um Brandherde zu finden und zu bekämpfen. Der Spielleiter hat in etwa einen Plan, wo die Brandherde am stärksten sind und wann sie ausbrechen.
Tom läuft durch einen Gang, auf dessen Boden sich gefährlich Qualmringe bewegen; sie zeigen an, daß hier ein Inferno nur durch das Fehlen von genügend Sauerstoff verhindert wird. Tom realisiert diese Warnung allerdings nicht und stürmt auf die Tür zu, um sie mit seinem Beil einzuschlagen.
Die unterschwelligen Flammen bedanken sich für das Zuführen von Sauerstoff durch ein sehr rasches Ausbreiten, und die Stichflamme, die sich in Toms Rücken bildet, streicht auch noch über ihn. Der Spielleiter entscheidet, daß es sich hier um einen Feuerangriff von der Intensität 5 handelt und würfelt mit fünf Würfeln vier Erfolge. Daher verlangt er von Tom einen Konstitutionswurf auf die Schocktabelle bei mittlerem Feuerschaden auf den Körper. Tom erreicht nur zwei Erfolge, und so fällt er zu Boden, und für Sekunden schwinden ihm die Sinne. Die eigentlichen Verletzungen der vier Schadenserfolge des Feuers wirken sich weitgehend auf den Rücken des Feuerwehrmannes aus, und der Spielleiter entscheidet, daß Toms Beine am wenigsten geschützt waren.
Mit Verbrennungen dritten Grades wird der junge Mann später im Krankenhaus zu sich kommen; der Aufprall der Stichflamme hatte ihn zwar nur kurz das Bewußtsein verlieren lassen, aber da er nicht mehr laufen konnte, erlitt er eine schwere Rauchvergiftung, und nur das Glück, daß einer seiner Kameraden kurz nach ihm in den Gang kam, hat ihm das Leben gerettet. Ob er sich jedoch jemals wieder ganz von seinen Verletzungen erholen wird, steht auf einem anderen Blatt.
Erwürgen
Hierunter ist das Verletzen oder Töten durch das Unterbrechen der Sauerstoffzufuhr durch den Hals zu verstehen. Hat eine Person einer anderen Hals ergriffen und drückt zu, muß irgendwie der so entstehende Schaden ermittelt werden. Wir schlagen dazu folgenden Weg vor:
Der Angreifer würfelt in seiner nächsten Aktion für Körperkraft. Erreicht er mehr Erfolge als der Verteidiger mit seinem halben Körperkraftwert, so muß dieser einen Konstitutionswurf mit zwei Erfolgen bestehen um bei Bewußtsein zu bleiben.
In der nächsten Runde wiederholt sich dieser Vorgang bis zu dem Punkt, da das Opfer für Konstitution würfelt. Hier steht nun nämlich ein Wurf mit drei Erfolgen an. Der Vorgang wiederholt sich so lange bis sich das Opfer befreit oder bewußtlos wird. Dann muß der Angreifer nur noch solange zudrücken bis das Opfer an Sauerstoffmangel stirbt.
Die Finte
Um dem Kampfsystem von HLL etwas mehr Spannung zu verleihen, stellen wir hier die Fintenregelung vor.
Eine Finte ist eine vorgetäuschte Attacke, auf die ein echter Angriff folgt. Natürlich kann man eine solche Attacke mit Erfolgswürfen und daraus resultierenden Boni oder Mali darstellen. Interessanter und auflockernder ist jedoch der folgende Weg, da er die Spieler direkt in das Geschehen einbezieht.
Der Angreifer, der die Finte durchführen möchte, tut so, als wolle er ganz normal attackieren und sagt diese Aktion auch ganz normal an, zum Beispiel einen geraden Stich mit dem Degen in der Zeitstufe sechs. Er führt auch einen Erfolgswurf durch, nennt aber eine völlig andere Zahl an Erfolgen als wirklich vorhanden.
Der Gegner hat jetzt die Wahl, einfach auf den Angriff zu reagieren oder nichts zu tun und zu sagen, daß er ihn für eine Finte hält. Hat er recht, bedeutet dies für den Angreifer eine verschenkte Aktion. War es aber keine Finte, ist dies sein Pech, denn der Angriff gilt als getroffen. Allerdings muß der Angreifer noch anhand seiner Würfel beweisen, ob es nun eine Finte war oder nicht.
Hat der Angreifer eine Finte durchgeführt und der Verteidiger hat es nicht gemerkt, darf der Angreifer seine nächste Aktion machen (am sichersten hochgezogen nach Zeitstufe fünf, um ein Vereiteln zu verhindern). Der übertölpelte Verteidiger ist überrascht und darf nur mit der Hälfte seiner zur Verfügung stehenden Würfel reagieren.
Wichtig an dieser Fintenregelung ist noch, daß die Finte und die tatsächliche Aktion aufeinander abgestimmt werden sollten. Wer zum Beispiel auf einen Gegner zuläuft und einen Schlag mit der Axt gegen den rechten Arm vortäuscht, mag den anderen dann durchaus statt dessen rammen; ihm einen Faustschlag in den Magen zu versetzen wird dagegen eher schwierig sein.
Auswirkung von Traglasten
Sperrige Gegenstände oder schwere Waffen und Rüstungen haben Auswirkungen auf Aktionen; man wird langsamer und ermüdet schneller. Um diese Auswirkungen darzustellen, wird jedem Gegenstand eine Sperrigkeit zugeordnet, die angibt, wie belastend er ist.
Die persönliche Belastbarkeit durch Gewichte und sperrige Kleidung, Rüstung oder Gegenstände berechnet sich aus der Formel Körperkraft mal 20. Der so entstandene Wert gibt an, welche Lasten an Sperrigkeit man mit sich führen kann, ohne Abzüge auf Erfolgswürfe zu erhalten. Hat man aber eine Last bei sich, die diesen Wert überschreitet, bekommt man für alle zehn angebrochenen Punkte einen Malus von plus eins auf den Erfolgswurf bei allen körperlichen Aktionen.
Dies hat noch andere Auswirkungen auf seine Fähigkeiten. Im Kampf verliert er jetzt nämlich jede zweite Kampfrunde einen Konstitutionswürfel. Dieser Würfel regeneriert sich nur mit einer kurzen Verschnaufpause. Ein voll gepanzerter Ritter müßte also im Krieg zwischen jedem Feind einige Sekunden ausruhen. Sinkt der Konstitutionswert auf null, wird pro Kampfrunde ein Erfolgswurf mit einem Würfel minus zwei fällig. Im Falle des Versagens bricht der Kämpfer erschöpft zusammen.
Übrigens kann ein langer Kampf auch ohne sperrige Rüstungen und Waffen sicher zur Erschöpfung führen, und wer dies simulieren möchte, kann alle zwei Kampfrunden einen Konstitutionswurf machen und bei Versagen einen Würfel von der Konstitution abziehen.
Die Sperrigkeitswerte von Rüstungen, Waffen und Ausrüstungsteilen kann man den jeweiligen Beschreibungen weiter hinten in diesem Buch entnehmen.
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