Die Werte und ihre Anwendung

Nicht alle Situationen können vom Spielleiter und den Spielern am Tisch zur Zufriedenheit aller in ihrer Phantasie ausgespielt werden. Damit es während des Rollenspiels einigermaßen gerecht zugeht und um dem Spielleiter objektive Entscheidungen zu erleichtern, gibt es Regelmechanismen, die es erlauben, verschiedene Vorgänge per Würfel zu simulieren. Alle Eigenschaften eines Charakters werden in Form von Werten auf dem Charakterbogen festgehalten. Der Übersichtlichkeit wegen sind sie in verschiedene Gruppen aufgeteilt, die weiter unten besprochen werden. Wie stark eine Eigenschaft ausgeprägt ist, wie geübt oder talentiert der Charakter in einem bestimmten Bereich ist, wird dargestellt durch die Anzahl an W10, die der Eigenschaft zugeordnet werden und dem Charakter zur Verfügung stehen. Eine grobe, allgemeine Umsetzung läßt sich dabei an folgender Tabelle ablesen.

 

Würfel Güteklasse

- Nicht *

0W sehr schlecht (1W-2) **

1W Anfänger

2W ungeübt

3W normal, durchschnittlich

4W geübt

5W Profi

6W Meister

7W übermenschlich

* „Nicht" bedeutet, auf diese Fähigkeit ist kein Wurf gültig!

** „0W" bedeutet, einen Wurf mit einem W10, bei dem vom Ergebnis 2 abgezogen werden!

Diese Angaben können natürlich bei unterschiedlichen Wesen noch variieren (die Werte oben sind eben nur auf Menschen bezogen). Außerdem müssen die Angaben für verschiedene Eigenschaften noch interpretiert werden. Es ist durchaus möglich, seine Schwert- oder Pistolenwerte bis zur Meisterschaft zu steigern, aber bei Werten wie Größe sind solche Angaben recht unsinnig. Hier gilt dann, daß die Ausgeprägtheit der Eigenschaft dargestellt wird; jemand mit Größe vier ist einfach größer als jemand mit Größe drei. Die genaue Bedeutung der Werte für die einzelnen Eigenschaften wird unter der Besprechung der Eigenschaft weiter unten beschrieben.

Ein Charakter, der in der Fähigkeit Computer über vier Würfel verfügt, wäre ein geübter Benutzer, der auch komplexere Programme bedienen und schreiben kann. Ein Wesen mit Größe vier Würfel dagegen hätte die durchschnittliche Größe für einen Menschen überschritten; er mäße sicher 1.94m oder gar mehr. Und ein Mensch mit Größe drei Würfel und Gewicht fünf Würfel ist zwar durchschnittlich groß, hätte aber deutliches Übergewicht. An diesem Beispiel sieht man auch schon, wie die reinen Zahlenwerte deutliche Merkmale darstellen und andererseits sich diese Merkmale in den Zahlen niederschlagen.

 

Der Erfolgswurf

Wann immer der Ausgang einer Aktion in Frage gestellt werden muß und diese Frage nicht im Spiel selbst gelöst werden kann, läßt man die Würfel entscheiden. Zu diesem Zweck führt der Spieler einen Erfolgswurf gegen die Erfolgszahl drei mit den ihm in der entsprechenden Fähigkeit zur Verfügung stehenden W10 aus. Jeder Würfel, der drei oder mehr zeigt, gilt dabei als ein Erfolg. Damit eine Aktion gelingt, ist es notwendig, eine bestimmte Anzahl an Erfolgen zu erreichen, die aus der folgenden Tabelle entnommen werden kann.

 

Aktion ist benötigt werden

Sehr leicht 1 Erfolg

Leicht 2 Erfolge

Normal 3 Erfolge

Schwer 4 Erfolge

Sehr schwer 5 Erfolge

Äußerst schwer 6 Erfolge

Fast unmöglich 7 Erfolge

Nachdem der Spielleiter vor dem Wurf die Schwierigkeit der Aktion in Form von benötigten Erfolgen festgelegt hat, kann er auch noch einen Bonus oder Malus für die Erfolgszahl bestimmen.

Dieser Modifikator ergibt sich aus den äußeren Umständen, die Situationen beeinflussen. Dabei richtet er sich nach den im folgenden angegebenen Kategorien oder bestimmt die Boni nach seiner Einschätzung der Situation. Die Boni und Mali werden einfach auf die Erfolgszahl addiert.

 

Boni

• Person hat Zeit, eine Aktion lang zu zielen: -1

 

Mali

• Es ist zu dunkel oder nebelig: +2

• Es stürmt: +2

• Person befindet sich in ungewohnter Umgebung

(zum Beispiel ein schwankendes Schiff): +2

• Person ist sehr müde oder verletzt: +1 oder mehr

• Person steht unter Drogen: +2

 

Kritische Erfolge

Von Zeit zu Zeit passiert es, daß eine Aktion außergewöhnlich gut gelingt. Dieser Umstand wird durch folgende Regel dargestellt. Jede zehn, die auf einem W10 bei einem Erfolgswurf fällt, zählt als kritischer Erfolg. Zusätzlich zu der Tatsache, daß sie einen ganz normalen Erfolg darstellt, darf der entsprechende Würfel noch einmal geworfen werden.

Fällt wieder eine Zahl größer oder gleich der Erfolgszahl, so gilt der zweite Wurf als ein zusätzlicher Erfolg. Es ist also auf diese Weise möglich, mit drei Würfeln vier oder gar mehr Erfolge zu erzielen. Auch beim zweiten Wurf sind wieder kritische Erfolge möglich.

 

Patzer

Ein Patzer ist eine Situation, in der ein für den Handelnden schwerwiegender Fehler oder ein Unglück geschieht. Um festzustellen, ob eine Aktion in einen Patzer mündet, addiert man alle für diese Aktion geworfenen Würfel. Ein Patzer findet dann statt, wenn diese Summe kleiner oder gleich einem von der Anzahl der Würfel abhängigen Wert ist.

 

geworfene Würfel Patzer bei

1 1

2 3

3 6

4 10

5 14

6 18

7 22

8 27

9 32

10 36

Wichtig an dieser Tabelle ist, daß die geworfenen Würfel nicht mit den ursprünglich in der Fähigkeit zur Verfügung stehenden Würfeln identisch sind; hierunter fallen auch die Würfel, die wegen kritischer Erfolge zusätzlich geworfen werden.

Auch auf den Patzer kann der Spielleiter Boni und Mali vergeben. Findet zum Beispiel ein Kampf auf glattem Eis statt, könnte der Spielleiter entscheiden, daß statt einem Malus auf die Erfolgszahl der Patzerwert aller Beteiligten um drei oder vier Punkte angehoben wird. Die Auswirkungen eines Patzers sollten vom Spielleiter situationsbedingt festgelegt werden. So ist es zum Beispiel kaum glaubhaft, wenn sich ein Charakter, dem beim Zuschlagen ein Patzer unterlaufen ist, sich mit seiner Waffe selbst das Bein abtrennt. Wohl aber wäre es möglich, daß ihm das Schwert aus der Hand gleitet und zu Boden fällt oder er sich das Handgelenk prellt oder gar bricht.

Zu beachten ist übrigens, daß eine Aktion, bei der ein Patzer geschieht, durchaus dennoch gelingen kann. Wenn also ein Held mit vier Würfeln in der Fähigkeit Schlösser öffnen versucht, ein leichtes Schloß zu öffnen, und er würfelt 1,1,3,4, so hat er zwar die zwei benötigten Erfolge erzielt, bleibt andererseits aber in der Summe unter der zehn, die für einen Patzer maßgeblich ist. In diesem Fall könnte der Spielleiter zum Beispiel entscheiden, daß der Charakter das Schloß zwar öffnet, es aber gleichzeitig beschädigt, so daß es nicht mehr geschlossen werden kann; vielleicht bricht er auch noch seinen Dietrich ab.

Wer möchte, kann sich an einer der folgenden Tabellen orientieren.

 

Patzer beim Zuschlagen

• 1,2 Waffe fällt direkt vor den Held zu Boden

• 3,4 Waffe fällt außer Reichweite zu Boden

• 5,6 Held verletzt sich

• 7,8 Held verletzt sich und Waffe fällt zu Boden

• 9,10 Held verletzt sich schwer und Waffe fällt außerhalb seiner Reichweite zu Boden

 

Patzer beim Ausweichen

• 1,2 leichtes Straucheln oder schlechte Position

• 3,4 Held strauchelt und gerät in schlechte Position

• 5,6 Held fällt hin, ohne sich zu verletzen

• 7,8 Held schlägt auf den Boden und verletzt sich

• 9,10 Held fällt hin und verletzt sich schwer

 

Patzer für Fingerfertigkeiten

• 1,2 Held läßt den Gegenstand fallen

• 3,4 Held beschädigt den Gegenstand

• 5,6 Held zerstört den Gegenstand

• 7,8 Held verletzt sich

• 9,10 Held verletzt sich mit dem Gegenstand schwer und zerstört ihn

Die Helden stehen vor einer verschlossenen Tür, hinter der sich ein für ihre Mission wichtiger Gegenstand befindet. Der Engel Utrael, dessen derzeitige Gestalt die eines Gangmitglieds ist und der sich deshalb mit Schlössern auskennt, will das Schloß mit seinem Werkzeug öffnen. Der Spielleiter beschließt, daß er zu diesem Zweck vier Erfolge benötigt. Utrael würfelt mit den vier Würfeln, die ihm für Schlösser öffnen zur Verfügung stehen, und sein Wurf ergibt 1,2,3,3. Dies sind nur zwei Erfolge, weshalb er die Tür nicht aufbekommt. Außerdem ist die Summe der Würfel gleich zehn, womit Utrael ein Patzer unterläuft. Der Spielleiter bittet Utrael, einen Fingergeschickwurf zu machen, und da dieser mit seinen drei Würfeln nur 1,2,8 würfelt und so nur einen Erfolg erreicht, entscheidet er, daß Utrael seinen Dietrich abbricht und sich an dem abgebrochenen Teil, das noch im Schloß steckt, den Arm aufreißt.

Verärgert über sein Mißgeschick beschließt Utrael, die Tür mit Gewalt zu öffnen. Da es sich um eine dicke Holztür handelt, bestimmt der Spielleiter ohne dies dem Spieler mitzuteilen, daß ihre Zerstörung sehr schwer ist, also mindestens 5 Erfolge erfordert. Utrael versucht, die Tür mit seiner Schulter aufzurammen und würfelt hierfür mit den drei Würfeln, die ihm für Körperkraft zur Verfügung stehen. Allerdings muß er für seine Verletzung nun einen Malus von +1 auf alle körperlichen Aktionen hinnehmen.

Utrael würfelt also mit drei Würfeln, wobei er mindestens 5 Erfolge zu einer Erfolgszahl von 4 benötigt, eine fast unmögliche Aufgabe. Er würfelt 3, 5, 10 und darf daher einen weiteren Würfel werfen. Der zusätzliche Würfel ergibt eine 2, und angesichts seiner zwei Erfolge erkennt Utrael die Aussichtslosigkeit seines Handelns.

Sein Kollege Farael, der gesund und außerdem stärker als Utrael ist (ihm stehen bei Körperkraft vier Würfel zur Verfügung), schiebt Utrael, der sich noch die jetzt schmerzende Schulter reibt, zur Seite und wirft sich seinerseits gegen die angeknackste Tür. Da die Tür jetzt doch schon etwas schief in den Angeln hängt, entscheidet der Spielleiter, daß Farael nur noch die drei Erfolge benötigt, die Utrael nicht mehr erreicht hat, um die Tür vollends aufzubrechen. Farael würfelt 4,6,7,9 und zertrümmert sie mit vier Erfolgen gegen drei benötigte souverän.

 

Spielpraxis

Eine Menge Beispiele zum Umgang mit den Werten finden sich auch in den einzelnen Wertebeschreibungen. Die folgenden Anmerkungen mögen als Ergänzung und Vertiefung verstanden werden.

Man kann die Werte eines Charakters auch außerhalb der Grenzen der Wertebeschreibungen verwenden und ins Spiel bringen. Wenn eine Person sich im Wald oder auch in einer Menschenmenge bewegt ohne sich verstecken zu wollen, ist zum Beispiel die Verwendung des Schleichenwertes nicht sehr sinnvoll.

Stattdessen könnte man einen Wurf auf Größe durchführen lassen, um festzustellen, wie auffällig sie sich im Moment verhält. Je mehr Erfolge der Charakter dann erreicht, desto eher sticht er - rein durch seine Größe - hervor und kann bemerkt werden.

Ein anderes Beispiel wäre es, wenn ein Engel im Flug ausweicht. Die Ausweichenregeln im Buch des Kampfes sehen für das volle Ausweichen einen Wurf mit den Würfeln von Akrobatik und Springen vor. Bei einem fliegenden Engel wäre hier Akrobatik plus Fliegen sicher angebrachter.

Den Schleichenwert eines Charakters kann man auch als Wert für Verstecken oder Tarnen verwenden. Eine Person, die noch nie ein Pferd gesehen hat und nun zum ersten Mal auf eines steigen möchte, könnte man statt auf Reiten durchaus auch auf Klettern würfeln lassen.

Anhand dieser Beispiele kann man sehen, daß man sich nicht sklavisch an die Grenzen halten sollte, welche die Beschreibungen zu geben scheinen, sondern immer nach neuen Möglichkeiten suchen sollte. Tut man dies nicht, so läuft man Gefahr, in reine Werteschematik abzugleiten, und das sollte unter allen Umständen vermieden werden.

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